Und dann hatte Herr Blume mal wieder einen Vortrag, sogar einen – haltet euch fest – Festvortrag. Er hätte zwar lieber über Ein-, Zwei- oder Siebensamkeit und die berühmt-berüchtigte Resi-lizenz oder sowas gesprochen, aber das Thema war nunmal festgelegt (deswegen Festvortrag 🙂 und als solches für das 31. Symposium zur psychsozialen Betreuuung von chronisch nierenkranken Kindern und Jugendlichen eingekauft worden.
Bruno Blume hatte sich im Vorfeld viele Gedanken gemacht, bzw. dies seinem Denker überlassen, der aus dem kreativen Exzess von linker und rechter Gehirnhälfte (und zum Schluss ganz viel Amygdala) etwas vorzeigbares zaubern musste. Und das Thema hatte es in sich! Am Anfang dachte der Denker ja noch, Achtsamkeit und Resilienz würde er so aus dem Handgelenk schütteln, das wäre sozusagen Die DNA des Clowns/Fools, aber je näher der Termin kam und je mehr er nachdachte, desto weiter in die Ferne rückte ein triumphaler Vortragserfolg und umso mehr breitete sich Nicht-Wissen, ja fast Panik aus, da noch einen halbwegs logischen Spagat zwischen den beiden ja sowas von überladenen Begriffen und dem doch recht unbeleckten und unbekümmerten Clown hinzukriegen (der vermutlich die ganze Zeit unter dem Schreibtisch des Denkers hockte und sich in Fäustchen lachte).
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Narrenfreiheit in der C-Side
Aus dem Clownslabor sind ja immer mal wieder schöne Auftritte entstanden, zuletzt beim Südviertelfest. Diesmal war es aber ganz anders. Die Narren waren in der C-Side, ein alternatives Wohnprojekt zwischen Gelmer und den Rieselfeldern. Auf dem dortigen (ersten?) Hoffest gab es unter dem Programmpunkt „Narrenfreiheit“ sechs Beiträge zum Fooling zu sehen. Nach einer – wie ich fand sehr gelungenen – Generalprobe(!) vor zwei bis drei Zuschauern, die uns unbedingt sehen wollten, stellten als erstes A. und Oli (mit Uku) das Fooling als Kunstform in Form einer Foolingübung dar, getreu dem Motto: Fooling kannst du nicht erklären, du musst es schmecken 😉 Die Zuschauer saßen in dem kleinen Wäldchen auf ausrangierten Plastikstühlen in einem Halbrund um die Lichtung. Sehr pittoresk. Hinter dem Vorhang (der ab und an hochwehte und dem Publikum offenbarte, wie die Fools sich auf ihre Auftritte vorbereiteten) fragte die Organisatorin mit einer Miene, die zwischen belustigt und entsetzt changierte: „Was habt ihr da eigentlich erzählt?“ Uns war das reichlich egal, wir hatten unseren Spaß gehabt… Dann wurde hinter der Bühne getönt (oder war das vorher?) und Auftritt der ganzen Mann- und Frauschaft mit weißen Neutralmasken, hübsch nach Geschlechtern ausgewählt. Nach einem wirklich sehr schönen Foolingflow blieb – verabredungsgemäss – unser Gedichteerzähler Rainer auf der Bühne zurück (die Dramaturgie war allererste Sahne) und rezitierte sein nahezu gewaltfreies Gedicht über einen Ehekrieg, dabei souverän zwischen den Handpuppen Kasper und Gretel wechselnd. „nahezu gewaltfrei“, weil es doch auch etwas weniger gewaltfreie Zeilen hatte und Rainer aufgefallen war, dass sich mittlerweile Kinder im Publikum befanden. Der Vortrag geriet also ins Stocken, kam stellenweise zum Erliegen weil aus pädagogischen Gründen eine direkte Ansprache der Kinder bzw. deren Eltern notwendig wurde…
Nach diesem blutrünstigen Auftritt mussten wir uns erst einmal ein bisschen sammeln, doch nur kurz, denn schon wieder waren Oli und seine charmante Partnerin gefordert, wagemutig stürmten sie wieder die Bühne und gaben eine quasi Fortsetzung des Foolingerklärungsfoolings, diesmal auf zwei Stühlen und – anders als in der Generalprobe abgesprochen – ohne Soli und Requisit, was Oli doch ziemlich aus dem Konzept brachte, vor allem, als seine Partnerin auch noch zu reden(!) anfing. Wenn Oli etwas überhaupt nicht kann, dann ist es Reden auf der Bühne… Entsprechend ging es dann auch im Dialog hin und her bis Oli dann die rettende Idee hatte, aufsprang (was für eine Erleichterung!) und eine nahe gelegendes Stromkabel (kurz mit der Zunge prüfen, ob noch Saft drauf war), eine Schlinge formte und A. damit zuerst erwürgte und dann fesselte (oder umgekehrt). Abgang, erhaltener Applaus… Dann kam der große Auftritt der Organisatorin mit einem Kommunarden, die die aberwitzigen Schreiben des Bauordnungsamts zu der juristischen Bedeutung von Bauwagen in einem wunderbaren Sketch immer weiter aufbliesen und so förmlich explodieren ließen. Dann wieder alle auf die Bühne, ein Musikjam entstand, in derem Verlauf die arme USB-Box als Rugbyball herhalten musste.. Nach einer 3/4 Stunde war dann endgültig Schluss und eine ausgepowerte aber glückliche Foolingtruppe stellte sich dem Applaus der Zuschauer. Drei Vorhänge.
Bei den Auenkindern in München
Heute ging es zu den Auenkindern in Haidhausen. Dort gibt es drei Gruppen: die Krabbelkinder, die Kindergartenkindern und die Hortkinder. Insgesamt erwarteten mich so 38 Kinder im Alter von 1-10. Eine Herausforderung, wie sich schnell zeigte, denn ein Krabbelkind, dem wir ein etwas verunglücktes Geburtstagsständchen brachten, wollte partout keine Aufmerksamkeit von dem aufdringlichen Clown und erst recht keine Konfetti – iiiiih! Auch der schnell aufgeblasene Luftballon konnte die Tränen nur so halbwegs beruhigen…
Dafür war die Brillenaktion – eine Idee von Rania – ein voller Erfolg. Als alle endlich ihre Brillen auf hatten (ich hatte mal wieder total unterschätzt, was es auslöst, wenn man was verteilt, von dem alle was haben wollen), kam mir der Begriff „Brillenschlange“ in den Sinn. Und ab ging die Krabbel-Polonaise – Clown Bruno voran! Das machte Spaß und führte zu einem Riesendurcheinander, hihihi. Dann kam Jarno mit der Idee, Reiter zu bilden und ab ging das Gebalge. Ich versuchte es zu strukturieren, aber Pustekuchen. Und was wäre das auch für ein Clown, der Ordnung in das Chaos bringen wollte!?
Die älteren Kinder griffen da schon selber ein, ziemlich zuverlässig kommandierten sie ihre Truppe wieder in die Ausgangsstellung, in den Kreis.
Zum Schluss ließ es Bruno sich aber nicht nehmen, die restlichen Ballons, Marshmallow’s und Konfetti einfach in die Luft zu werfen. Dann war es auch schon vorbei, Bruno zog nach nicht mal 40 Minuten die Reißleine und nutzte den Moment, um sich freudestrahlend vom Acker zu machen. Umgezogen erkannten ihn einige Kinder, die sich gerade für den Spielplatz fertig machten, jedoch wieder und verwickelten ihn noch in Diskussionen, darunter das knapp zweijährige Krabbelkind, das Bruno einen grünen Glitzerstreifen geschenkt hatte – rührend. Er wollte gar nicht mehr von seiner Seite weichen und Bruno wollte ihn fast schon mit nach Hause nehmen…
Hoffest in Entrup119
Die Pläne, beim Tag der offenen Tür meines Lieblingsbauernhofs Entrup119 aufzutreten, waren schon alt. Lange stand es auf meiner Agenda, die lieben Nachbarn meines Reitstall bei ihren Aktivitäten zu unterstützen. Nachdem das Hoffest die letzten drei Jahre wegen Corona ausgefallen war, machten wir nun Nägeln mit Köpfen. Wir, das war mein Clownsfreund Pipo, genannt Rainer – diesmal unterwegs in ernster Mission als Zitator von „grünen“ Gedichten, und halt Clown Bruno, der sich bis zum Schluss nicht auf einen Auftritt festlegen lassen wollte, und deshalb auch nicht im Programm aufgeführt war.
Bruno war bei der Schafschur dabei
Bruno treibt die Schafe auf die Wiese
Bruno hilft dem Rezitator bei seinen Gedichten
Bruno begleitet das Pfeifen- und Trommlerkorps Altenberge-West
Herr Blume im Flüchtlingsheim Freiham
Eigentlich waren wir zu fünft im Flüchtlingsheim der Bayrischen Diakonie / Innere Mission in Freiham angemeldet, doch auf der Fahrt dahin erfahre ich in der S-Bahn – als ich zufällig die letzte Nachricht in der Signal-Gruppe lese -, dass der Termin kurzfristig ausfällt. :sigh: In meinem Kopf rasen die Gedanken: Schnell noch aussteigen und mit der nächsten Bahn zurück? Nein, wenn ich schon fast da bin, möchte ich auch gerne den Ort Freiham kennenlernen. Und einmal ausgestiegen möchte ich auch unbedingt die Retortenstadt rund um den Bahnhof kennenlernen und natürlich auch die Flüchtlingsunterkünfte und … ich möchte mich am liebsten umziehen und als Clown weitergehen. Je näher ich meinem Ziel komme, umso unumstößlicher steht mein Entschluss fest: Ich trete solo auf! Und alle Türen öffnen sich, buchstäblich.
Ich hätte mit 16 gerne gewusst, wie wunderbar glücklich und frei es macht, Dinge zu tun, vor denen man sich fürchtet. [Cornelia Funke]
Ich dackele hinter einer Flüchtlingsfamilie hinterher, die Hochsicherheitstür in dem Hochsicherheitszaun wird aufgeschlossen und werde von den drei Sicherheitsleuten misstrauisch beäugt. Schlimm, wie die hier einkaserniert sind, denke ich noch, bevor mir die kürzlichen Anschläge in den Kopf schießen. Ist vielleicht doch nötig – aber was ist mit der Einbettung in die Gesellschaft? Fördert eine solche Abschottung ein unkompliziertes Miteinander mit uns „Eingeborenen“? An den Sicherheitsleuten komme ich – nach Offenlegung aller Pässe und Intentionen – vorbei und bin nun im Heim drinnen. Dort kommen mir die nächsten Sicherheitsleute entgegen. Doch es gibt auch Sozialarbeiter. Von einem Schwarzafrikaner werde ich zu Aysel weitergeschickt. Sie hat das Treffen organisiert, ist sehr nett und kommt aus der Osttürkei (das muss beim Ostbahnhof sein). Sie ist zuerst ganz verdattert, dass nun doch ein Clown da ist, freut sich dann aber und … lässt mich gewähren! Ich erkläre ihr, dass ich nichts brauche, nur einen Ort zum Umziehen und einen zum Herumziehen 😉 Ich bin halt der Walk-Act Typ und habe gute Erfahrungen damit gemacht, mich von den Kindern inspirieren zu lassen.
Ich bin noch ein bisschen weich gekocht von JR (just ridicule). Seine Ausstellung in der Kunsthalle hatte mich heute Morgen ziemlich geflasht, insbesondere sein Projekt mit CCI-Strafgefangenen. Seine Begründung, dass jeder Mensch gesehen werden möchte, und dass er vergessenen Menschen die Möglichkeit geben will, gesehen zu werden, rührte mich zu Tränen. Dass das auch viel mit meiner Arbeit als Clown (und Audiobiograf) zu tun hat, wird mir in den nächsten Tagen noch bewusster.
Wir gehen dann zusammen zu dem nächsten Containerblock. Hier sollen die meisten Kinder wohnen. Jede Familie (hier wohnen nur Afghanen) scheint hier ein oder zwie Zimmer von vielleicht 15m2 zu bewohnen. Ich renne zwar in einige rein, wurde aber von Aysel zurückgepfiffen (Privatsphäre!), sodass ich nur einen flüchtigen Eindruck bekomme. Doch zurück auf Anfang: Kaum trete ich durch die Türe, stehen die Kinder um mich herum. Zuerst kann ich deren Namen und Herkunft noch in aller Ruhe erfragen, dann bricht aber der Tsunami über mich herein – immer mehr Kinder kommen aus allen Ecken angelaufen. Sie greifen an meine rote Nase, und ich muss diese und weitere Angriffe energisch abwehren (Nein! Die ist heilig!). Ich sage, dass ich eigentlich Bruno heiße, aber dass meine Freunde mich „Herr Blume“ nennen dürfen. Den Namen finden sie toll, sodass ich dabei bleibe. Zuerst entdecken wir das Spiel „Vorstellung von Herrn Blume“. Sie (mittlerweile ein gutes Dutzend) machen mit Inbrunst meine Verbeugungen und Hofknickse nach. Ich erkläre, was eine Blume ausmacht, und auch das machen sie alles ganz lieb nach: Zuerst sind wir Blumen alle ganz klein, dann scheint die Sonne, und wir öffnen unsere Blüten und wenden uns der Sonne zu. Sehr poetisch. Dann geht es ums Wachsen, und ich komme an die Decke! Die Kinder wollen auch, und so hebe ich sie eins nach dem anderen empor. Dann macht Herr Blume aber schlapp und rutscht mit ausgestreckter Zunge an der Wand runter…. die Kinder kringeln sich vor Lachen….
Meine Idee, dass sich jedes Kind auch selber vorstellen soll, verstehen sie leider nicht. Das wäre auch eine schöne Übung zum „Gesehenwerden“ gewesen. Danach will Herr Blume unbedingt Seilchen springen, weil er ein Springseil entdeckt hat, doch das geht nicht durch. Selbst als ich es ergattert habe und mich zum Üben in die Küche verzogen habe, funzt es nicht. Stattdessen zeigen mir die Kinder, was sie alles können. Ein ca. 10 Jahre altes Mädchen schlägt mehrmals ein perfektes Rad. Sofort übertrumpft sie ein Junge, der es auf einem Arm kann. Ich bin begeistert, befühle ehrfürchtig Muskeln und versuche es auch… Ich stelle mich allerdings ziemlich dumm an. Die Kinder zeigen mir alles nochmal genau, doch ich bringe nach zwei vergeblichen Versuchen nur einen verunglückten Purzelbaum zustande und finde mich mit den Beinen zur Decke gestreckt am Boden wieder – genau gegenüber einem Erwachsenen, dem ich bedeute mich hochzuziehen. Er klemmt meine Beine unter seine Arme, und gibt sich richtig Mühe, aber er schafft es nicht. Ich sporne ihn an und zwei, drei Kinder helfen kräftig, aber sie schaffen es alle nicht, dabei wollte ich doch so gerne mit meinem Po über dem Boden schweben!
Irgendwie kann ich nicht nur leise und sanft sein, sondern muss immer auch aufdrehen, so ergibt sich die fantastisch durchgedrehte Szene, wo ich mit einem Besen in vollem Tempo einmal hin und her über den langen Flur renne – die laute Kinderschar hinter mir her! Ein Teil von mir fragt sich ernsthaft, ob das nicht für die Zuschauer und Bewohner zu viel / zu laut ist. Ich stoppe am offenen Fenster, sinke auf den Boden und denk nur: Jetzt Luftballons! Doch dummerweise habe ich nur die langen Figurenballons dabei und auch nicht genug und dummerweise beginne ich die auch noch zu verschenken! Im Nu stehen zehn, zwanzig Kinder eng um mich herum, lassen mich nicht mehr gehen, ich komme nicht mehr raus. Und alle schreien (nachdem das erste Mädchen einen bekommen hat): „Ich! Ich!! Ich!!! ICH!“ In aller Seelenruhe mache ich weiter (ich kenne diese Szenen ja, auch wenn ich erstaunlicherweise nichts daraus gelernt zu haben scheine), ja genieße die Körperlichkeit unseres anarchischen Klumpens. Zur Krönung drückt mir eine Mutter (vier, fünf Frauen haben schmunzelnd und aus sicherem Abstand unser Spiel beobachtet) ihr einjähriges Kind in den Arm: „Er möchte das so gerne!“ Ich bin mir da nicht so sicher, zumal der keine Miene verzieht. Aber ein sehr angenehmes, väterliches Gefühl macht sich bei mir breit. Die Mutter macht natürlich Fotos von uns beiden. Als der Kleine zu plärren anfängt, gebe ich ihn gerne wieder zurück…
Doch irgendwann wird es mir doch zu viel wird und ich rufe Hilfe suchend nach Aysel (meinem Weißclown). Doch sie hört mich in dem Trubel nicht, mein Rufen dringt nicht durch… Ich muss mich schon groß machen. Ich bitte sie, die Ballons für mich zu verteilen. Sie hat mehr Autorität als ich. Ich benutze die Gelegenheit, um die Kinder abzuschütteln. Aysel kommt stirnrunzelnd hinter mir her, es wären nicht genug Ballons für alle Kinder gewesen (ja, das war mir klar…), und ob ich nicht noch was für die kleinen Kinder hätte. Ich krame mein letztes Herzbonbon hervor und mache endgültig die Biege. Obwohl, endgültig gibt es hier nicht – die Kinder ziehen hinter mir her wie hinter dem Rattenfänger von Hameln. Und so kommt es zu dem obigen Gruppenfoto. Im Sozialarbeiter-Container schließe mich in der Umkleide ein, ziehe mich rasch um, währenddessen die Kinder an der Tür klopfen und nach mir rufen. Dann rennen die ganz Pfiffigen nach draußen, um den Container rum und schauen zum Fenster rein! Da bin ich aber schon fertig, mache die Tür auf und beteuere, dass Clown Bruno noch drinnen wäre. Das wirkt aber überhaupt nicht. Kurze Zeit später sitze ich in der S-Bahn. Dort schauen mich einige etwas aufmerksamer an als sonst, bis mir auffällt, dass ich mich in der Hektik gar nicht abgeschminkt habe, und ich mein Stirnband tief über die weiß geschminkte Stirn ziehe…