Clown Bruno muss natürlich auch bei der Klimademo mitmachen – schliesslich hat Rainer gesagt, dass der Demo ein paar Clowns gut stehen würde. Und was Rainer sagt, das stimmt. Leider hatte sich auf meine Rundmail nur ein anderer Clown noch gemeldet, so fühle ich mich mit meinem Schild „Fools For Future“ etwas allein.
Als ich auf den Domplatz einbiege, ist er fast menschenleer – die ganzen Menschen haben sich am Prinzipalmarkt aufgestaut. Je weiter ich komme desto dichter wird es, bis es schließlich gar kein Durchkommen mehr gibt, hier ist wirklich alles pickepacke voll bis zur Lambertikirche, wo die Bühne steht. Ich lasse mich von meiner Intuition leiten und schiesse durch die Menge wie eine los gelassene Flipperkugel. Treffe eine Menge Leute, die ich kenne, meinen ehemaligen Dekan (der mir zu meinem Outfit gratuliert), unsere Finanzbeauftragte, eine gute Nachbarin, einen Fooler (der aber inkognito bleiben möchte). Es gibt so viel Interessantes zu entdecken, das ist der Hammer! Kommunikation ist alles. Ich stürze mich ins Getümmel – je dichter die Leute zusammenstellen, umso besser.
Kinder reagieren in der Regel sehr positiv auf mich, und so ergeben sich schöne Spiele, und dann verteile ich ja auch noch Bonbons und Luftballons. Mein Plan war, alle zu beruhigen: Es ist nicht alles so schlimm, keiner bräuchte sich keine Sorgen zu machen, dass die Welt untergeht, denn … ich habe noch eine (nein, drei!) in Reserve. Im Kofferraum sozusagen 😉 Als Beweis zeige ich drei Weltkugeln aus Plastik, die ich (ausgerechnet bei einer Klimaleugnerin) im Mukk gekauft hatte. Ich treffe auf etliche Schülergruppen, gemischte und welche nur aus Jungens oder aus Mädchen. Letztere wollen mir die Weltkugeln entreißen – nur mit Mühe kann ich mich und die Welt aus ihren Klauen retten!
Ich lasse mich weiter durch die fantasievollen Schilder und Transparente inspirieren. Wenn ich ein interessantes Plakat sehe, schlage ich mich durch die Menschenmenge und spreche die Protestler darauf an. Gebe meinen Senf dazu, biete meine Hilfe an (Luftballons, Bonbons oder geschminkt werden) und habe spannende Gespräche und Diskussionen, muss alles wissen: Wieso steht auf dem Schild, „Wer Müll macht ist selber Müll?“ Bruno ist zutiefst getroffen: Bin ich jetzt auch Müll, weil ich gerade Kaugummipapier weggeworfen habe? Buääähhhh!
Alle stehen in Gruppen zusammen, und der Clown kann so leicht zwischen den einzelnen Gruppen wechseln wie Wasser, das einfach in die nächste Senke fliesst. Mir fallen zwei Männer vor Zumnorde auf und nach kurzer Zeit stellen wir fest, dass wir gemeinsame Bekannte haben. Dann entdeckt Bruno seine anarchistische Seite: „Komm, lass uns Zumnorde stürmen und jeder nimmt sich ein Paar Schuhe mit!“ Und das soll was mit dem Klima zu tun haben!? Bruno, tststs!!
Los, Marsch!
Der Zug setzt sich in Bewegung und Bruno reiht sich brav ein. Am Anfang der Salzstraße stürmt plötzlich ein älterer Mann aus dem Tchibo und ruft aufgebracht, dass er diese ganzen Demonstranten zum Teufel wünscht. Die Leute gucken weg, doch als Clown finde ich es spannend und gehe hinter ihm her, vielleicht kann ich ihm ein Bombon anbieten oder was anderes. Doch er ist zu schnell für mich. Ich will aber nicht hinter ihm her rennen, auch wenn das durchaus etwas hätte 😉 , sondern in meinem ruhigen, langsamen Flow bleiben.
Etwas weiter in der Salzstraße treffe ich Clownin Amati. Grosse Wiedersehensfreude, und spontan intonieren wir was zusammen – sie auf ihrer Holzflöte und ich auf der Kajoo. Als sie später die Trommel rausholt, geht es richtig ab: Wir lassen uns von den Sprechchöre der Schüler inspirieren und wandeln sie fantasievoll für uns ab. Aus „Klimaschutz statt Kohle“ wird so „Kein Klimaschutz ohne Kohle, Klimaschutz vom Scheitel bis zur Sohle und Kohle holen für Klimasohlen“. Wir laufen im Kreis, machen Ringelpitz mit Anfassen und trommeln uns durch die Reihen – herrlich.
Dann ist Amati aber plötzlich weg und Bruno trauert. Für langes Suchen und wehleidige Gefühle ist aber keine Zeit, denn alles ist so spannend und rasch wendet sich Bruno neuen Aufgaben zu.
Hansaring
Am Hansaring legt die Demo nochmal einen Zahn zu. Am Anfang steht eine Bühne und drei Mädels feuern die Demonstranten an. Bruno kriegt grosse Augen: Da muss ich drauf! Er versucht die Mädels lautstark zu unterstützen, traut sich aber nicht, ins Mikro zu sprechen – gottseidank, das wäre sicher schief gegangen!
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An der Baustelle dürfen sich zwei Arbeiter ein Lied wünschen und ich gebe von Bob Dylan The Times they are changing zum besten. Ihr Applaus ist mir sicher…
Etwas weiter meditiert ein komplettes Yogastudio auf dem Bürgersteig. Bruno setzt sich dazu und spürt die Schönheit der inneren Einkehr und Ruhe. Aber nach einer Minute langweilt er sich schon wieder und muss sich mit einer netten Blondine über sein Erlebnis austauschen…
Noch weiter beherrscht ein imposanter, echter Eisbär die Szene. Ich muss unbedingt mit ihm reden und ihm erklären, dass das Tier auf meiner Stirn auch ein Eisbär ist – und kein(!) weißer Hund. Dort erfahre ich auch von den Vaterfreuden eines Arbeitskollegen (dazu muss man auf eine Demo gehen…) und zerquetsche ihn fast vor Glück.
DJ Malte legt wunderbare Rave-Musik auf und Bruno tanzt völlig selbst vergessen ab. Und auf einmal tauchen zwei gute Freundinnen mit ihren Kindern auf und Bruno zieht sie auf die Tanzfläche und dann spielen wir Ringelreihen.
Ein paar Meter weiter falle ich todmüde vom vielen Laufen in ein Sofa am Straßenrand, wo ich mich mit der schmerzkranken Tanja unterhalte. Ich schenke ihr einen Luftballon und bemale sie, weil sie ernährungstechnisch auf Bonbons verzichten muss.
An der Kreuzung Albersloher Weg / Hansaring bleibt Bruno gefühlt stundenlang stehen, genieße die Sonnenstrahlen und warte auf den nächsten Impuls. Er beobachtet aufmerksam, wie die Polizei die Straßensperrung abbaut. Ein ausländischer Radfahrer bleibt einfach bei ihm stehen. Dann kommt ein Impuls: E-Roller fahren! Mit Volldampf und heiligem Ernst düst Bruno über den Ludgeriplatz (wo ein Sit-in stattfindet), die Promenade und die Aegidii-Straße zum Domplatz. Dort spürt er auf einmal seinen leeren Bauch holt sich am Entrup-Stand ein doppeltes Käsebrötchen. Die liebe Maria vom Fleischstand gibt ihm dann noch drei Küchenrollen, damit Bruno sich abschminken kann.
Fotos: privat und WN